Zwar befindet sich das Land wirtschaftlich im Aufschwung, doch noch immer lebt jedes vierte Kind in armen Verhältnissen. Hierbei zeigen sich die Unterschiede zwischen Stadt und Land besonders stark. Sozial benachteiligte Familien und Alleinerziehende erhalten kaum staatliche Unterstützung. Immer mehr Kinder vermissen elterliche Fürsorge. Gründe dafür sind Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Verwahrlosung oder auch körperliche und sexuelle Gewalt innerhalb der Familie.
Schnell packten sie das Nötigste zusammen: ein Koffer mit etwas Kleidung und ihre Dokumente. Das erste Ziel: die Metrostation in der Nähe. "Nach dem Krieg im Jahr 2014 haben wir nicht geglaubt, dass wieder so etwas passieren würde", sagen sie, "wir haben die Nachrichten gesehen und konnten es nicht glauben... Wir hatten solche Angst, wir wussten nicht, wohin wir gehen, wo wir uns verstecken und was wir mitnehmen sollten."
In ihrer Angst und Ratlosigkeit gab ihnen die Untergrundhaltestelle ein wenig Sicherheit. Doch nach neun Tagen des Ausharrens mussten sie die Station verlassen und konnten in einen Zug steigen, der die Familie nach Polen brachte. Damit waren sie fünf von insgesamt fast einer Millionen Menschen, die Charkiw verlassen haben.In der Stadt zurück blieb nicht nur ihr gesamtes Leben, ihre Freundinnen und Freunde, ihr Hab und Gut, sondern auch die Großmutter. Der Zug brachte sie nach langer Reise nach Myslowice im Süden Polens. Dort wurden sie in einem Hotel untergebracht, das von einer privaten Organisation als Unterkunft für Geflüchtete gemietet wurde. Dieses Hotel ist eine von vielen Initiativen, mit denen ESPA in Kontakt steht. ESPA bringt Hilfsgüter nach Myslowice, die von GAiN von Deutschland nach Polen transportiert wurden. Dort erhalten Angela und Alex mit ihren drei Kindern sowohl Sicherheit als auch dringend benötigte Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Decken etc.
Für die Familie beginnt nun ein neues Leben. Sie werden voraussichtlich in Polen bleiben. Die Kinder können hier zur Schule gehen, Alex kann eine Arbeit als Bauarbeiter finden und Angela eine für ihren Rücken notwendige Wirbelsäulenoperation bekommen. Doch nicht nur das; die Familie ist im Hotel dafür bekannt, dass sie sich nicht nur helfen lässt, sondern auch selbst anderen hilft. Angela geht von Tür zu Tür, um zu fragen, was andere Geflüchtete brauchen, und um ihnen Hilfsgüter zu bringen. "Hier fühlen wir uns endlich sicher", sagen sie mit einem Lächeln. Dass GAiN zu diesem Gefühl der Sicherheit und Normalität beitragen konnte, ist das Ziel unserer Arbeit in Polen und die Unterstützung von ESPA.
In Polen arbeitet GAiN seit Jahren eng mit der Organisation ESPA zusammen. Besonderer Fokus von ESPA ist die Unterstützung von Familien, Waisen und Kindern ohne familiäre Anbindung. Wo ESPA es kann, prägt die Organisation eine Austausch-Kultur: was im Überfluss vorhanden ist, soll denen zugutekommen, die es brauchen. So werden Hilfsgüter nicht nur abgeholt oder geliefert, sondern ausgetauscht. ESPA kümmert sich für uns um die Verteilung von Hilfsgütern in Polen und nutzt dafür ein Netz von mehr als 300 sozialen Einrichtungen und Kirchen. Dies ist seit März 2022 von sehr großer Bedeutung, um viele nach Polen geflüchtete Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen. Über ESPA kamen zudem wichtige Kontakte in die Ukraine zustande.