Starke Frauen in Nigeria

 

 

Am 08.03. war Weltfrauentag. Was bewegt eigentlich Frauen in unseren Projektländern? Simon Hainbach kann als Mann mit Wohnsitz in Berlin wenig dazu sagen. Aber als Projektleiter für unsere Arbeit in Nigeria hat er bei den dortigen Mitarbeiterinnen nachgehört.

 

Judith leitet mit ihrem Ehemann die Baobab Initiative for Life und hat neben Grace und Amina noch einige weitere Mitarbeitende, auf die sie sich verlassen kann. Das Team baut ein Bildungszentrum in Kwali auf, einer ländlichen Gegend im Zentrum Nigerias. Sie setzen sich mit Leidenschaft und Ausdauer dafür ein, Menschen den Zugang zu Bildung und verbesserten Lebensbedingungen zu ermöglichen.

 

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Das resiliente Geschlecht

 

Simon: Ihr drei arbeitet in einem Land, dessen Bevölkerung sich durch viele Schwierigkeiten manövrieren muss. Welche Herausforderungen seht ihr speziell für Frauen in Nigeria?

Amina: Das Verantwortungsgefühl der Ehemänner, was leider manchmal zu Wünschen übrig lässt. (lacht)

Judith: Ja, das stimmt! Frauen sind traditionell auf die Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau festgelegt. Wenn sie dann nicht gebildet sind, sind sie vollkommen abhängig von ihren Ehemännern.

Grace: Ganz aktuell ist, dass sich unsere Lebensmittelpreise in den letzten Monaten wegen der Inflation verdreifacht haben. Verdreifacht! Es ist jeden Tag eine riesige Herausforderung, sättigende Mahlzeiten für die Familie zuzubereiten.

 

Simon: Ihr drei seid Paradebeispiele für Frauen, die sich von diesen Umständen nicht unterkriegen lassen. Ich bin jedes Mal beeindruckt, wenn ich mitbekomme, wie ihr euch allen Widerständen zum Trotz in Menschen investiert. Welche Stärken seht ihr generell bei nigerianischen Frauen?

Grace: Ich finde die Frage etwas schwierig zu verallgemeinern, weil Nigeria ein Land mit vielen unterschiedlichen Stämmen und Kulturen ist. Was aber auf die große Mehrheit der Frauen zutrifft, ist, dass sie großen Glauben haben. 

Judith: Sie sind sehr gastfreundlich und kochen oft für große Mengen. Und, was man allgemein sagen kann, ist, dass sie äußerst resilient sind. 

Amina: Ja! Viele müssen um's Überleben kämpfen und trotz Mangelernährung hart arbeiten. Und nicht wenige müssen traumatische Erfahrungen verarbeiten, weil sie häusliche Gewalt erleben oder ein Familienmitglied verloren haben.

 

Simon: Kommt es denn häufig vor, dass so etwas passiert? 

Judith: Leider zu oft. Die mangelnde medizinische Versorgung führt dazu, dass Kinder immer wieder an Krankheiten sterben. Auch die Müttersterblichkeit ist deshalb sehr hoch.

Grace: Andere Frauen haben Verwandte bei terroristischen Angriffen von Boko Haram verloren. Insbesondere Witwen haben ein schweres Los, wenn plötzlich das Einkommen des Mannes wegfällt. Viele Frauen sind unglaublich stark, stehen nach solchen Erfahrungen schnell wieder auf und machen einfach weiter.

 

Simon: Inwiefern unterstützt ihr mit eurer Organisation Baobab Frauen bei diesen Herausforderungen? 

Amina: Zunächst einmal: Wir sind für alle da und haben Männer wie Frauen, Jungs wieMädchen im Blick. Aber wir bieten zum Beispiel speziell Kurse für Mütter an. Das sind zum einen Hygieneschulungen, um über vermeidbare Krankheiten aufzuklären. Aber auch Workshops zur Herstellung von Gebäck oder Seife, mit denen man ein Einkommen erwirtschaften kann.

Grace: Außerdem sind in unserer Bauerngenossenschaft viele Mitglieder Witwen. In dem Zusammenschluss haben sie Zugang zu Saatgut und Düngern, sie bekommen Unterstützung beim Marketing und können ihr Einkommen steigern.

Judith: Mädchen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen ist eine unserer größten Empowerment-Strategien.

 

Simon: Habt ihr ein praktisches Beispiel, wie das aussieht? 

Judith: Ich denke da zum Beispiel an Lami. Sie ist ca. zehn Jahre alt und ihre Mutter wollte sie nicht in die Schule schicken, weil sie zu Hause im Haushalt helfen sollte. Lami erschien aber immer wieder von selbst auf unserem Schulgelände und lauerte an der Klassenzimmertür. Die Neugier stand ihr ins Gesicht geschrieben! Ein Lehrer erlaubte ihr schließlich, sich auf einen der Plätze zu setzen. Er gab ihr ein Heft und einen Stift - nur um festzustellen, dass sie damit überhaupt nicht umgehen konnte. Doch Lami ließ es sich nicht nehmen, immer wieder zu kommen. Schließlich musste auch ihre Mutter nachgeben, sodass wir Lami in die dritte Klasse aufnehmen konnten. Da ist ein junges Mädchen, das allen Widerständen zum Trotz einfach wissbegierig ist. Weil sie merkt, dass mehr in ihr steckt. Das wollen wir fördern.

 

Simon: Vielen Dank für das Gespräch!